Atmosphärisches Quaken begleitet unseren Video-Call mit Herrn Siegers. Wahrscheinlich war das von langer Hand geplant. Seinen Frosch-Chor scheint er perfekt instruiert zu haben. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde setzt das Gequake genau an dem Punkt ein, an dem er und seine Pflegerin Annemarie uns von seinem Gartenteich erzählen.
Unser Gespräch findet im Sieger’schen Garten statt – zumindest Herr Siegers und Annemarie können die Sonne bei unserem Gespräch genießen. Wir sehen sie durch den Computer-Monitor. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch, sondern trägt sogar zur Ausgelassenheit bei.
Und Herr Siegers hat allen Grund, sich zu freuen. Denn endlich kann er wieder in seinem Haus wohnen. Und das eignet sich hervorragend, weil die räumlichen Voraussetzungen, die seine Krankheit einfordert, hier nahezu gegeben sind. Einzig eine Kleinigkeit im Bad musste angepasst werden. Herr Siegers wohnt jetzt im Erdgeschoss, seine Frau hat oben ihr kleines Reich – verbringt aber natürlich viel Zeit unten bei ihrem Mann.
2019 wurde bei ihm ALS diagnostiziert. Seine Frau hat ihn so lange selbst gepflegt, wie es ihr möglich war. Aber als das Thema Beatmung anstand, war professionelle Unterstützung nötig. Denn im Spätsommer des letzten Jahres bekam Herr Siegers ein Tracheostoma, über das er nun beatmet werden kann. Gerne wäre er aus dem Krankenhaus direkt zurück nach Hause gekommen. Das war aber nicht möglich, weil es kein Pflegeteam gab, das ihn hätte unterstützen können. Denn mittlerweile muss Herr Siegers rund um die Uhr versorgt werden. Auch sprechen kann er nicht mehr.
Unser Video-Call funktioniert trotzdem reibungslos: Annemarie kennt ihren Klienten gut und kann uns einiges erzählen. Dabei wird schnell deutlich, dass sie ein tolles Pflegeteam hat, das gerne mit dem sympathischen Klienten zusammenarbeitet. Herr Siegers trägt aber genauso zum Gespräch bei. Durch die Unterstützung der Chat-Funktion macht es keinen Unterschied, ob gesprochen oder geschrieben wird. Um die Tastatur oder sein iPad einfacher bedienen zu können, haben sein Sohn und seine Frau ihm sogar einen Fahrradhandschuh „umgebaut“. Ein aufmontierter iPad-Pen dient der Verlängerung seiner Finger, damit kann er nun tippen.
Und das ist auch essenziell für seinen Job. Denn seit 21 Jahren arbeitet er im Bereich Service und Qualitätsmanagement der Firma Claas. Seit seine Erkrankung ihn zunehmend einschränkt, von zuhause aus, immer ein paar Stunden am Vormittag. Die Zeit kann er sich frei einteilen. Den Nachmittag verbringt er gerne im Garten. Mit dem besagten Frosch-Chor. Oder seiner Frau.
Früher war er sehr sportlich, ist Rad gefahren, hat Fußball gespielt und Fitness gemacht. Auch das Reisen war eine große Leidenschaft von ihm – er hat schon viel von der Welt gesehen. „Leider geht das nicht mehr“, bedauert er.
Dafür bekommt Herr Siegers jetzt viel Besuch, z. B. von seinen Arbeitskolleg*innen, die sich gerne seinen Rat einholen. Von seinen 21 Jahren Erfahrung können besonders junge Kolleg*innen profitieren. Das Team stelle sich wunderbar auf seine Belange ein, betont Herr Siegers.
Man sieht ihm an, wie glücklich er ist, wieder im eigenen Haus leben zu können. Ein halbes Jahr musste er in einer Pflege-WG unterkommen. Anfang dieses Jahres war der Pflegedienst air vital der erste, der ein Team für Herrn Siegers zusammengestellt hatte. Seit März ist er endlich wieder in den eigenen vier Wänden, umsorgt von air vitals Pflegekräften. Darunter auch die 24-jährige Teamleitung Annemarie. Obwohl die beiden sich noch nicht lange kennen, sind sie schon ein eingespieltes Team. Und Herr Siegers nutzt direkt die Gelegenheit, um mal loszuwerden, wie sehr er die Zusammenarbeit mit ihr und ihrem Team schätzt. „Ach, das musst du doch nicht sagen“, schmunzelt Annemarie, die sich doch ein bisschen über das Kompliment freut.
Was ist ALS?
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems. Die ALS betrifft nahezu ausschließlich das motorische Nervensystem. Das motorische System, das unsere Muskeln kontrolliert und die Bewegungen steuert, erkrankt sowohl in seinen zentralen
(„oberes Motoneuron“ im Gehirn mit Pyramidenbahnen bis ins Rückenmark) wie in seinen peripheren Anteilen („unteres Motoneuron“ in Hirnstamm und Rückenmark mit den motorischen Nervenfasern bis zum Muskel). Die Folge: abnehmende Kraft, Lähmungen und schlussendlich progressiver Muskelschwund.
Pro Jahr erkranken etwa ein bis zwei von 100.000 Personen an ALS. Die Krankheit beginnt meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, nur selten sind jüngere Erwachsene betroffen. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen. Viel Aufmerksamkeit erlangte die Krankheit vor ca. 8 Jahren durch die sogenannte „Ice-Bucket-Challange“.
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